Die Tücken der Demenz erleben
Verhungern oder nicht verhungern? Das war bei den Besucher*innen am Demenzsimulator oft die zentrale Frage. Anna Mühling, Demenzexpertin beim Kolping Schulwerk, hatte am Libori-Dienstag auf Einladung des Kolpingwerk Diözesanverbands Paderborn vier Stationen des Erlebnisparcours auf dem Platz vor dem Konrad-Martin-Haus aufgebaut. Ob Mittag- und Abendessen, Autofahren oder Malen – an jeder Station konnte man testen, wie man sich in verschiedenen Alltagssituationen schlägt. Die auf den ersten Blick unkompliziert klingenden Arbeitsaufträge hielten jedoch ihre Tücken bereit. „Ich esse später einfach mit der Hand“, verkündeten viele gescheiterte Proband*innen schließlich amüsiert-frustriert.
Am Demenzsimulator erleben die Menschen, wie schwer die einfachsten Dinge fallen können. Fotos: Mario Polzer
„Es ist nicht der Sinn der Aufgaben, dass es einfach ist“, tröstete die Demenzexpertin diejenigen, die ein ums andere Mal pikiert auf ihre Ergebnisse in den Holzboxen blickten, in denen die Szenarien arrangiert waren. Beim Abendessen beispielsweise warten vier Becher darauf, mit Murmeln (Obst) gefüllt zu werden. Die bunten Kugeln sollen mit einem flachen Holzlöffel einzeln von einer Schale in die Becher balanciert werden. Die Crux: Die Probant*innen sehen ihre Hände nicht wie gewohnt von oben, sondern nur durch einen schräg eingelassenen Spiegel. „Demenzerkrankte sehen nicht spiegelverkehrt, aber es geht um das Erleben. Mit dem Spiegel zerstören wir unsere sinnvolle Wahrnehmung, so dass uns die einfachsten Dinge schwerfallen“, erklärte Anna Mühling. Viele hatten bereits Schwierigkeiten, die Murmeln in der Schale überhaupt mit dem Löffel zu erwischen – geschweige denn danach die richtige Richtung einzuschlagen.
Flüche, Fassungslosigkeit und Galgenhumor
„Es geht nicht darum zu testen, ob man an Demenz erkrankt ist“, betonte Anna Mühling, sondern darum, am eigenen Leib zu erfahren, wie sich Menschen bei diesen Alltagsaufgaben fühlen, die an einer Demenz erkrankt sind. „Prozesse, über die man üblicherweise nicht mehr nachdenkt, gehen bei einer Demenzerkrankung verloren. „Das ist echt krass“ war neben zahlreichen Flüchen und fassungslosen, aber auch humorigen Kommentaren zu hören. „Auch Menschen mit Demenz fühlen sich hilflos, werden sauer, werfen mit Sachen oder werden ganz traurig“, beschrieb Anna Mühling die gängigen Reaktionen der Menschen, wenn sie feststellen müssen: Die Dinge funktionieren nicht mehr, egal wie sehr ich es versuche.“
„Das sollte eigentlich jede*r einmal machen, um die Menschen mit einer Demenzerkrankung besser zu verstehen und zu lernen, Geduld mit ihnen zu haben“, äußerten mehrere Besucher*innen. Diesen Erfahrungen steht nichts im Weg, denn der Demenzsimulator kann ausgeliehen werden. Zur Auswahl stehen 13 Stationen. An jeder Station werden Alltagssituation der fiktiven Protagonistin Erna Müller nachgespielt. Begleitet wird die demenzerkrankte Dame durch einen kompletten Tagesablauf: vom Anziehen, Frühstücken, Einkaufen, Kochen und Backen bis hin zum Abendessen.
Demenzsimulator ist ausleihbar
Prädestiniert ist der spielerische Perspektivwechsel vor allem für Menschen, die mit Demenzerkrankten zu tun haben. Schulen, Gruppen und Einrichtungen – auch außerhalb der Kolping-Gruppe Paderborn – können sich den Demenzsimulator für ihre Veranstaltung und Fortbildungsarbeit nach Absprache auf dem Kolping Gutshof in Großeneder abholen.
„Man sollte mindestens 30 Minuten Zeit mitbringen für eine kurze Einführung“, rät Anna Mühling. Im Gespräch kann gemeinsam überlegt werden, welche Stationen sich für den jeweiligen Anlass anbieten. „Es ist darüber hinaus sinnvoll jede Station einmal durchzugehen, sonst hat der Parcours einen wesentlich geringeren Effekt“, weist Anna Mühling darauf hin, dass der Demenzsimulator bei seinem Einsatz immer von einer gebrieften Person betreut werden sollte.
Wer Interesse hat, meldet sich bei Anna Mühling (; 0170/4854382) oder nimmt über das Hofhandy (0160/95237250) Kontakt auf.